sex. drugs & shadow prices

im rahmen der böhm bawerk lectures (der mann vom 100 ats-schein) war edward kaplan gestern (5.4.06), zu gast im festsaal der öaw. der ami ist ökonom, stadtplaner, statistiker und "operations research"-guru vom mit.
seine parole: or can save lifes. zumindest ich hatte bis gestern keine ahnung, was operations research (or) ist/sind. es war nicht leicht dem durch die folien flitzenden, ziemlich schnell sprechenden us-ökonomen zu folgen, aber ich versuche mich dennoch an einer zusammenfassung.

2005 starben weltweit 3 mio. menschen an aids, 5 mio haben sich neu angesteckt und 40 mio leben mit dem virus.

annahme eins: eine hiv-infektion/aids erkrankung ist ein vermeidbare todesursache, man muss sich nicht mit hiv anstecken
annahme 2: or erleichtern entscheidung/planung der vergabe von geldmitteln und leisten nicht nur im betriebswirtschaftlichen, sondern auch im volkswirtschaftlichen bereich gute dienste, in diesem fall in der epidemiologie.

edward kaplan und seine mitarbeiter untersuchen mit "or": welche programme verhindern am meisten hiv-neuinfektionen und welche regionen der erde sind am stärksten betroffen. er kombiniert die beiden faktoren und errechnet so, wie man mit dem gleichen mitteleinsatz mehr neuinfektionen verhindert.
typische programme zielen auf spritzentausch, verhindern der übertragung von hiv von mutter auf kind, verhaltensprogramme in punkto sexualität, methadonersatztherapie etc.

in den usa wurden die gelder bisher unter den bundesstaaten aufgteilt, nach dem prinzip: umso mehr mittel, je mehr aids-fälle. ein völlig falsches signal aus der sicht eines ökonomen, denn wer erfolgreich hiv-infektionen verhindert, bekommt weniger geld.
außerdem wurde nur ungenügend erfasst wie hoch die basisrate an neu-infektionen in unterschiedlichen bevölkerungsgruppen ist.
mit simplen unmstellungen (das gilt wohl eher für industrieländer) kann viel herausgefunden werden. in so einem fall ist es gut, wenn ökonomen mal das ruder ergreifen und es genau wissen wollen, auf den dollar genau:
mit zwei verschieden empfindlichen hiv-antikörper-tests gleichzeitig im einsatz, kann besser eingegrenzt werden, wann sich jemand infiziert hat.
wenn man die sprizen mit einem barcode versieht, kann man nachverfolgen, wie schnell die spritzen ausgetauscht werden, ob die gleiche person sie abholt und zurückbringt. dabei gilt: wenn die spritze kürzer im umlauf ist, teilen sie weniger menschen, wenn man dann noch das restblut auf hiv testet, kommt man näher an die neuinfektionsrate.
or können berechnen, ob ich mit der doppelten menge an mitteln, doppelt so viele neu-infektionen verhindere und welcher mix an zweckgebundenen und nicht-zweckgebundenen mitteln man am meisten erreicht. oder ob es sinnvoll ist "policy constraints" aufzuerlegen: zb keine bundesmittel für bestimmte forschungszweige.
das zauberwort ist eine schon lange bekannte ökonomische annahme/berechnungsmethode: die schattenpreise. sie berechnen, ob mit einem euro mehr bzw. weniger, mehr bzw. weniger aidskranke verhindert werden können. und ab welchem mitteleinsatz sich überhaupt etwas bewegt.

ich höre jetzt mal hier auf: es waren etwa 1000 kurven und achsen und dollarwerte. aber es hört sich nach dem sinnvollen einsatz einer ökonomischen gesetzlichkeit an. wichtig ist, dass hier natürlich noch ein abgleich mit ethischen grundsätzen erfolgen muss, wsa kalan durchaus klar ist. man wird nicht aufhören babys vor der übertragung von hiv durch die mutter zu schützen, aber man muss damit rechnen, dass sie rate an waisenkindern in die höhe schnellt. also vielleicht doch ein paar mittel für die behandlung der mütter abzweigen...
jupe - 6. Apr, 11:56

sind diese schattenpreise auch jene, mit denen björn lomborg, der polarisierende ökonom mit der prioritätenliste zur rettung der weltprobleme, rechnet? Klingt für mich als überhauptnicht-ökonomin irgendwie so.

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