Defizitäres Defizitmodell - wie man Wissenschaft (nicht) kommunizieren soll
Wer glaubt, die Öffentlichkeit wüsste nur einfach zu wenig über Wissenschaft und man müsse sie nur besser informieren, und alles würde besser, sitzt dem „Defizitmodell“ auf. Schon seit Jahrzehnten verweisen Wissenschaftsforscher darauf, dass mehr Wissen keineswegs für mehr Akzeptanz für Forschung führt, dass hierarchische Modelle (Wissenschaft oben, Öffentlichkeit unten) die Wirklichkeit in ihrer Komplexität nicht abbilden und außerdem nicht gerade sehr demokratisch sind.
Die Defizite des Defizitmodells waren der Ausgangspunkt beim gestrigen Vortrag von Annina Müller (Institut für Wissenschaftsforschung, Uni Wien
http://www.univie.ac.at/virusss/) am Institut für Technikfolgenabschätzung der ÖAW. Ihre Frage: Ist die Botschaft mittlerweile auch bei den Wissenschaftskommunikatoren selbst und vor allem auch bei der Politik angekommen? Die Antwort lautet jein, mit Betonung auf letzterem.
Ja, es gibt vereinzelte Dokumente in der EU oder im bm:bwk, die eine aktive Miteinbeziehung des Bürgers fordern, ja, gar eine „begründete Zurückweisung“ von bestimmten Foschungsrichtungen zulassen, also keine reine Akzeptanzbeschaffung mehr sind.
Schaut man sich aber die Aktivitäten der letzten Jahre in Österreich an – wir reden von der Science Week, der Kampagne „Innovatives Österreich“, von Gen-AU und von der Langen Nacht der Forschung, dann erweist sich das Defizitmodell aber nach wie vor als sehr präsent.
Der Prozess der Forschung bleibt weitestgehend „geblackboxed“, fokussiert wird auf "Back-End-Kommunikation“, man zeigt nur was hinten rauskommt, auch wenn die Lange Nacht der Forschung hier weiter gekommen ist als die rein auf Infotainment setzende Science Week. Die hirnlose „Auf die Birne kommt’s an-Imagekampagne“ hat ein vorgestriges Bild von Wissenschaft vermittelt. (Viele Leute dachten eh, es wird eigentlich für mehr Obstkonsum geworben).
Trotzdem: ins Gespräch mit Wissenschaftler zu kommen, finden die Besucher entsprechender Events spitze. Da verlieren sich Scheu und Vorurteile. Da nimmt sich jemand Zeit und erklärt mir Hascherl von der Straße was. Die sind ja richtig nett, diese Genomforscher! Vertrauensbildende Maßnahmen, nennt man das.
Nur: die Wissenschaft stellt selbst keine Fragen an die Öffentlichkeit. „Die wollen nichts von uns wissen“, beklagten sich viele Besucher jener Events, die von Annina Müller und ihren KollegInnen interviewt wurden. Die Kommunikation bleibt einseitig, die Hierarchie erhalten, die Wissenschaft interessiert sich nicht für das „Wissen“ der Öffentlichkeit.
Totgesagte leben länger, das Defizitmodell jedenfalls wird sich nicht so schnell in die Gruft legen. Sollte es vielleicht auch nicht, denn NICHT zu informieren kann ja wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Anzustreben ist wohl ein guter Mix aus Information und Partizipation, gepaart mit Enthierarchisierung, ein beidseitiger Lernprozess eben. Das wird noch eine Weile dauern.
Unter http://www.oeaw.ac.at/ita/ sollen die ppt-folien von Annina Müllers Vortrag bald herunterzuladen sein.
Die Defizite des Defizitmodells waren der Ausgangspunkt beim gestrigen Vortrag von Annina Müller (Institut für Wissenschaftsforschung, Uni Wien
http://www.univie.ac.at/virusss/) am Institut für Technikfolgenabschätzung der ÖAW. Ihre Frage: Ist die Botschaft mittlerweile auch bei den Wissenschaftskommunikatoren selbst und vor allem auch bei der Politik angekommen? Die Antwort lautet jein, mit Betonung auf letzterem.
Ja, es gibt vereinzelte Dokumente in der EU oder im bm:bwk, die eine aktive Miteinbeziehung des Bürgers fordern, ja, gar eine „begründete Zurückweisung“ von bestimmten Foschungsrichtungen zulassen, also keine reine Akzeptanzbeschaffung mehr sind.
Schaut man sich aber die Aktivitäten der letzten Jahre in Österreich an – wir reden von der Science Week, der Kampagne „Innovatives Österreich“, von Gen-AU und von der Langen Nacht der Forschung, dann erweist sich das Defizitmodell aber nach wie vor als sehr präsent.
Der Prozess der Forschung bleibt weitestgehend „geblackboxed“, fokussiert wird auf "Back-End-Kommunikation“, man zeigt nur was hinten rauskommt, auch wenn die Lange Nacht der Forschung hier weiter gekommen ist als die rein auf Infotainment setzende Science Week. Die hirnlose „Auf die Birne kommt’s an-Imagekampagne“ hat ein vorgestriges Bild von Wissenschaft vermittelt. (Viele Leute dachten eh, es wird eigentlich für mehr Obstkonsum geworben).
Trotzdem: ins Gespräch mit Wissenschaftler zu kommen, finden die Besucher entsprechender Events spitze. Da verlieren sich Scheu und Vorurteile. Da nimmt sich jemand Zeit und erklärt mir Hascherl von der Straße was. Die sind ja richtig nett, diese Genomforscher! Vertrauensbildende Maßnahmen, nennt man das.
Nur: die Wissenschaft stellt selbst keine Fragen an die Öffentlichkeit. „Die wollen nichts von uns wissen“, beklagten sich viele Besucher jener Events, die von Annina Müller und ihren KollegInnen interviewt wurden. Die Kommunikation bleibt einseitig, die Hierarchie erhalten, die Wissenschaft interessiert sich nicht für das „Wissen“ der Öffentlichkeit.
Totgesagte leben länger, das Defizitmodell jedenfalls wird sich nicht so schnell in die Gruft legen. Sollte es vielleicht auch nicht, denn NICHT zu informieren kann ja wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Anzustreben ist wohl ein guter Mix aus Information und Partizipation, gepaart mit Enthierarchisierung, ein beidseitiger Lernprozess eben. Das wird noch eine Weile dauern.
Unter http://www.oeaw.ac.at/ita/ sollen die ppt-folien von Annina Müllers Vortrag bald herunterzuladen sein.
Nobility - 15. Mär, 12:02
theorie - schön und gut, aber: wie macht man gute kommunikation
Alles schön und gut.
Aber: wie soll man das bloß anstellen?
Wie soll man zum Beispiel Zwischenschritte, Überlegungen, Arbeitsweisen kommunizieren, wenn es nichtmal ein Trägermedium gibt, das diese Art von Information weiterleiten würde (oder welche Zeitung interessiert sich für andere Dinge außer hard facts, das absolut Neueste, Beste, Größte, Schönste?)? Ja, es gibt noch andere Wege außer Zeitung, Fernsehn, Radio - ist mir klar. War auch nur ein Aspekt einer Frage, von denen es viele weitere gibt.
Bei mir ist das Defizitmodell als defizitäres Modell sehr wohl angekommen, aber so einfach ist es auch wieder nicht, ohne Defizite zu kommunizieren.